Marcel hatte beim letzten Perchtenlauf in Gleisdorf ein unschönes Erlebnis: Er wollte einem Mädchen zur Hilfe eilen und wurde dabei mit einem Messer verletzt. WIR OSTSTEIRER haben nachgefragt, wie es Marcel jetzt geht und ob Zivilcourage zu zeigen für ihn noch ein Thema ist.
WIR OSTSTEIRER (WOS): Was ist für dich Zivilcourage?
Marcel: Für mich ist Zivilcourage, dass Leute nicht wegschauen und dass sie Probleme sehen. Angefangen bei Kleinigkeiten bis hin zu schweren Fällen, wie Schlägereien oder Vergewaltigungen. Zivilcourage ist für mich, dass die Leute dazwischen gehen, wenn sie etwas wahrnehmen.
WOS: Was ist damals beim Perchtenlauf passiert?
Marcel: Meine Freunde und ich waren beim Perchtenlauf in Gleisdorf, es war gemütlich und lustig. Um 21 Uhr hat es mir dann gereicht, der Abend war für mich gelaufen und ich wollte nach Hause gehen. Zwei Freunde haben mich dabei begleitet, ein Mädel und ein Bursche.
Am halben Heimweg sehe ich dann, wie ein Mädchen von einem Kerl mit aufgezogener Hand an eine Wand gedrückt wird. Ich habe da nicht viel drüber nachgedacht, bin einfach hin und hab ihn weggeschubst. Da hat er plötzlich ein Messer gezogen und auf mich eingestochen. Dabei hat er mich bei der Hand erwischt. Er ist dann vor mir gestanden mit seinem Messer und irgendetwas geschrien, was genau, an das kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe ihn deshalb noch einmal weggeschubst von mir, und habe dann erst das Blut entdeckt. Alles ist so schnell gegangen, dass ich es zuerst gar nicht bemerkt hatte, dass er mich wirklich erwischt hatte. Da war ich dann mal so richtig perplex.
Die zwei sind dann auch gleich abgehauen. Meine Freunde und ich haben uns zuerst einmal geschockt angeschaut, dann kam die Frage auf: „So was machen wir jetzt?“
Also sind wir zur Polizei gegangen, am Weg dort hin, habe ich auch schon angerufen und mich vorangekündigt. Die Polizei hat das dann aufgenommen und sind dann in Gleisdorf herumgefahren um die beiden Unbekannten zu finden. Ich bin in der Zwischenzeit mit der Rettung ins Krankenhaus. Gefunden haben sie aber niemanden.
WOS: Also das Mädchen, dem du helfen wolltest, ist einfach zusammen mit dem Burschen verschwunden?
Marcel: Ja, die sind dann zusammen abgehauen.
WOS: Und wie habt ihr den Täter dann gefunden?
Marcel: Anfangs hat keiner damit gerechnet irgendjemanden von den beiden zu finden. Mein Freund hat sich dann aber daheim hingesetzt und zwei Tage lang Facebook nach ihren Gesichtern durchsucht. Und hat ihn tatsächlich gefunden!
Als ich bei der Polizei für die Aufnahme der Anzeige war, habe ich ihnen dann das Profil auf Facebook gezeigt.
Die Polizei hat den Burschen dann abgeholt, und er hat eigentlich gleich alles zugegeben. Behauptet aber, er hätte aus Notwehr gehandelt, weil ich ihn so aggressiv angegangen wäre. Was der Bursche, seine Freundin, und der dritte, der unbeteiligt noch dabei gewesen ist, ausgesagt haben, weiß ich nicht. In der Vorladung zum Gericht steht aber, dass ich Einsicht auf die Akten hätte.
WOS: Hättest du damit gerechnet, dass dir so etwas passieren kann?
Marcel: Ich habe eigentlich nicht darüber nachgedacht. Man denkt sich, man schubst den schnell weg, damit er dem Mädchen nichts antun kann. Und falls er dann aggressiv wird, hat man ja noch leicht Zeit um schnell weg zu laufen. Ist aber leider ganz anders gekommen.
Ich habe dann auch schnell bemerkt, dass das Mädchen, dass von ihm bedroht wurde, trotzdem zu ihm hält. Sie hat dann geschrien, dass wir sofort aufhören sollten und wurde ganz hysterisch.
WOS: Würdest du wieder eingreifen bei einem Streit?
Marcel: Es kommt sicher auf die Situation drauf an. Rein von der Vorstellung her, würde ich es schon machen, aber man denkt jetzt doch ganz anders. Dann stellt man sich die Frage: Was ist, wenn der wieder ein Messer rausholt?
WOS: Also würdest du sagen, dass du jetzt vorsichtiger bist?
Marcel: Ja! Bei brenzlichen Situationen, kann man eh nicht mehr tun, als die Polizei zu rufen. Aber wie gesagt, es kommt ganz auf die Situation drauf an.
WOS: Wie geht es dir jetzt, wenn du auf den Vorfall zurückdenkst?
Marcel: Ja, nicht besonders gut, weil ja alles für nix war. Ich wollte dem Mädel ja nur helfen. Dafür bin ich angestochen worden, und die beiden sind zusammen abgehauen. Was soll man dazu noch sagen?
Es ist zum Glück nichts Tragisches passiert. Ich musste nicht genäht werden, die Wunde wurde geklebt.
WOS: Hast du den Täter seitdem wieder einmal getroffen? Hat er sich bei dir entschuldigt?
Marcel: Nein, gar nichts. Ich habe mit ihm nichts zu tun. Mein Freund hat lediglich das Facebook-Profil gefunden, aber sonst kenne ich ihn nicht. Das ist alles von der Polizei erledigt worden.
WOS: Was denkst du jetzt über ihn?
Marcel: Auf der einen Seite tut er mir fast leid, weil er ein 17-Jähirger Bursche ist, der gar nicht weiß, was er für einen Blödsinn verzapft hat und der sich mit solchen Aktionen sein Leben verhauen könnte. Auf der anderen Seite denke ich mir, wer spaziert einfach mit einem Messer in der Hose durch die Straßen und geht damit so fahrlässig um?
WOS: Und über sie?
Marcel: Ich weiß ja nicht, welche Beziehung die beiden miteinander führen, ob sie überhaupt zusammen sind oder nicht. Ich schätze aber schon. Es ist komplett unlogisch, dass er sie bedroht, und sie dann zusammen mit ihm verschwindet. Aber wie oft hört man von Frauen, die von Männern misshandelt werden, die aber keine Anzeige erstatten und bei ihnen bleiben. Also keine Ahnung, was ich von ihr halten soll und was wirklich dahintergesteckt hat. Für mich war es ganz offensichtlich, dass er sie schlagen wollte und sie gegen ihren Willen zu einer Wand gedrückt worden ist. Deshalb habe ich auch eingegriffen. Ich habe ihn lediglich weggeschubst von ihr. Er wurde von mir nicht bedroht, verletzt oder sonst was.
WOS: Was erwartetest du von eurem Zusammentreffen bei der Verhandlung?
Marcel: Ich weiß nicht, wie er reagieren wird, ob er sich entschuldigt oder ob er mich überhaupt anschaut. Auf jeden Fall, bin ich gespannt, wie er reagieren wird. Ich hoffe, dass er einsieht, dass die Aktion absolut ungerechtfertigt und dumm war!