Bianca Scharler: Mit der Kamera unterwegs von Wetzawinkel bis Indien

“Ich will die Seele der Menschen erfassen,” beschreibt Bianca Scharler, Fotokünstlerin aus Wetzawinkel, ihre Arbeit. Die 37-jährige macht durch ihre Kamera das, was man üblicherweise als “mit dem Herzen sehen” bezeichnet. Vorzugsweise tut sie das in ihrem Sehnsuchtsland Indien.

WIR OSTSTEIRER haben Bianca getroffen und wollten mit ihr über ihre aktuelle Ausstellung sprechen, die heute in Graz startet. Herausgekommen ist ein Gespräch über Gott, die Menschen und die Welt.

 

Freitag, 9 Uhr: Ein bisschen verplant erscheint Bianca zu unserem Termin, fast hätte sie darauf vergessen. Wir machen es uns bei einem Kaffee gemütlich. Bianca hat einen Kalender mitgebracht mit Bildern ihrer Indienreisen. Schon beim schnellen Durchblättern stellen wir fest: Irgend etwas macht Bianca beim Fotografieren anders.

Da sieht man ganz gewöhnliche Menschen, die mit einer unfassbaren Aura von Schönheit verblüffen, und Landschaftsaufnahmen, die ganz unaufgeregt daherkommen, aber sofort fesseln. Alles ist in schwarzweiß gehalten, und trotzdem glaubt man, farbige Sprenken in den Augen so mancher Person zu entdecken. Wie macht diese Frau das?

 

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Bianca Scharler


WIR OSTSTEIRER (WOS): Deine Fotos sind ziemlich eigenwillig. Was ist dein Geheimnis beim Fotografieren?
Bianca Scharler: Ich halte gerne Momente fest. Ich suche nach wunderschönen Bildern und will Menschen damit berühren. Abgesehen vom schönen Gestalten und diesen ganzen stilistischen und oberflächlichen Kriterien, die ein gutes Bild ausmachen, will ich in die Tiefe gehen und Gefühle einfangen.

“Durchs Fotografieren
bekomme ich
eine Verbindung
zu den Dingen.”

Ich versuche gute Connections herzustellen, in der Hoffnung, das auch der Betrachter diese Connections dann mitbekommt. Ich möchte die Menschen damit beschenken und im Betrachter etwas Positives auslösen.

WOS: Siehst du dich eher als Künstlerin oder als Fotografin?
Bianca: Ich sehe mich schon eher als Künstlerin, obwohl ich Fotografie verwende und mir die Fotos wichtig sind. Bin ich Künstlerin? Irgendwie schon. Ich bin auch sonst noch alles mögliche. Kräutersammlerin, Sonnenanbeterin, Bäuerin hin und wieder. Ich kann alles sein.

“Ich kann auch
Köchin sein,
Putzfrau,
Zauberer,
I don’t know.”

WOS: Du bist viel unterwegs, vor allem in Indien. Was zieht dich so in die Ferne? Fotografieren könntest du doch hier auch.
Bianca: Ich fühle mich frei, wenn ich auf Reisen bin. Für mich ist Indien so schön, weil es eine alte Kultur ist. Ich stehe auf das Fremdartige, das doch verwandt ist und verbunden, und darauf, wie gut man das alles spürt.

WOS: Ist Indien dir vertrauter als Österreich, die Steiermark, Gleisdorf?
Bianca: Ich brauche beides. Ich finde es voll schön, hier zu sein und ich habe das gern als Basis, aber hin und wieder brauche ich etwas ganz anderes. Indien bringt mich dazu, auch zuhause alles mit neuen Augen zu sehen und zu schätzen. Die Sauberkeit, die Leute, die Landschaft. Da denkst dir manchmal schon, es ist furchtbar. Wir leben hier in einer so perfekten Umgebung, und die haben nichts und alles ist kurz vor dem Zusammenbrechen. Voll wahnsinnig.

WOS: Was ist das Spannende an Indien?
Bianca: Ich finde es angenehm, dass die Religion so präsent ist und für die Menschen Gott so präsent ist.

“Dort ist das einfach
selbstverständlich,
dass es mehr gibt,
eine tiefere Ebene.”

Die Leute spüren mehr. Auch wenn sie vielleicht nicht so gebildet sind, sie spüren viel mehr, sind sehr offen. Und alles ist sehr fotogen. Es ist traurig, dass es da oft so wild und arg ausschaut und dass die Leute so arm sind, aber wow, es ist so eine Schönheit da drin. Ich sehe die Schönheit unter dem Dreck.

 

Wenn Bianca über Indien spricht, spürt man die Achtsamkeit und die Liebe, mit der Bianca arbeitet. Wenn sie erzählt, geht eine Veränderung in ihr vor, die man sehen kann. Wo vorher eine hübsche, etwas verschlafene 37-jährige an ihrem Kaffee nippte, sitzt plötzlich ein hellwaches Wesen mit nebelblauen Augen, von dem man nicht sagen kann, ob es ein kleines Mädchen ist, dass gerade vor Freude über ihr Lieblingsspiel strahlt, oder eine viel ältere Frau, die mehr sieht, als sich andere überhaupt vorstellen können. Schnell die nächste Frage, bevor uns diese leisen blauen Augen komplett aus dem Konzept bringen!

 

WOS: Du hast vorher von der Präsenz Gottes gesprochen. Bist du gläubig?
Bianca: Gläubig… Ich bin vielleicht sogar zu gläubig, ich glaub an alles, an alle Götter, finde das alles superfantastisch.

“Wenn das,
was wir Menschen
da herumtun
auf der Welt,
alles wäre –
das wäre furchtbar.”

Ich such die Verbindung zu allem und zum Göttlichen. Religion steht da oft dazwischen und verwirrt die Leute. Mir geht es mehr um das, was dahinter steckt. Für mich sind das alles Symbole für etwas anderes, für die Liebe, die Wahrheit.

WOS: Du scheinst ein sehr spiritueller Mensch zu sein, der viel fühlt. Wie wichtig ist denken für dich?
Bianca: Ich verlier mich leider immer wieder im Denken. Hin und wieder ist es ganz praktisch, aber es kommt mir nicht so wichtig vor. Vor allem das Zuviel-Denken. Es ist besser, nach dem Gefühl zu gehen. Wenn ich mich auf mein Gefühl verlassen habe, war ich immer besser unterwegs. Die Gedanken tragen einen in alle möglichen Richtungen, und wenn man dem folgt, ist man echt ziemlich verloren und in der Welt herumgescheucht.

“Man könnte es
viel gemütlicher haben,
wenn man nicht so viel denkt.”

WOS: Ist deine nächste Reise schon in Planung?
Bianca: Ja, ich fahre im Dezember wieder nach Indien. Es gibt ein paar Orte, die mir wichtig sind, die werde ich wieder abklappern: Gokarna, Varanasi, Radjastan.

WOS: Vorher hast du aber noch etwas anderes vor, oder?
Bianca: Ja genau. Jetzt läuft meine Ausstellung in Graz mit Bildern aus Indien und einigen älteren Eindrücken aus Thailand. Außerdem gibt’s ein paar Zeichnungen zu sehen, die das ganze ergänzen. Kleine Reisezeichnungen, Zeichnen ohne denken. Erstaunlich, was da immer wieder rauskommt. Da zeichnet sich die Umgebung im Bild ab und du bist selbst überrascht.


 

Veranstaltungstipp: “Journey To The East”

Bianca Scharlers Reisefotografien in einer Ausstellung in Graz.

Vernissage: 27. November 2015, 18.30 Uhr. Ausstellung von 28. November bis 3. Dezember 2015 von 12 bis 18 Uhr. Galerie Atelier Saeli, Belgiergasse 6, 8020 Graz.