Herbert Hierzer aus Entschendorf hatte vor vier Jahren einen schweren Unfall: Beim Schnapsbrennen explodierte der Brennkessel. Herbert war in den Flammen gefangen, hat das Feuer eingeatmet. „Eigentlich hätte ich wohl sterben sollen, aber irgend etwas wollte, dass ich noch einmal zurückkehre“, sagt er heute darüber.
Sechs Wochen lang lag Herbert mit schweren Verbrennungen am ganzen Körper im Koma. Sechs Wochen, in denen er nicht wahr nahm, was um ihn herum und mit ihm geschah. Und Herbert träumte. Anders als die meisten Komapatienten kann er sich an seine Komaträume erinnern. „Ich bin 1000 Tode gestorben in dieser Zeit und hatte das Gefühl, Jahrzehnte in dieser Zwischenwelt gewesen zu sein,“ berichtet Herbert.
Seine Erfahrungen in der „anderen Welt“ verarbeitete Herbert, indem er sie niederschrieb. Daraus entstand das Buch „Tiefschlaf“. WIR OSTSTEIRER durften euch bereits einen Auszug aus dem Buch präsentieren. Nun kommt die Fortsetzung – und die ist nichts für schwache Nerven!
Die Sonderzucht
Hansi verlud mich auf einen Transporter, auf dem sich bereits etwa 25 Menschen befanden. Man schob mich nach vorne und bei der Fahrerkabine kam ich zu stehen. Meine Bewegungen waren immer noch eingeschränkt, doch ich fühlte mich ein wenig besser. Wir fuhren los.
Nach einiger Zeit sagte Hansi zu mir: „Ich muss noch wo hin und danach fahren wir ins Krankenhaus. Ihr habt die Ehre, meine Sonderzucht kennen zu lernen. Ich hab ja so eine Freude mit ihnen und sie auch mit mir.“
Es dämmerte bereits, da fuhren wir in einem Krater ein. Der hatte einen Durchmesser von einigen Kilometern. Es wuchs Gras hier und ein See war zu sehen. Immer wieder tauchten Menschen auf, die sich auf einen Haufen zusammenkauerten und sich unterhielten. Sie hatten dunkle Haut, große Muskeln und einen kleinen Kopf. Als sie Hansi sahen, sprangen sie auf, jubelten ihm zu und hüpften wie toll.
Wir fuhren durch die jubelnden Massen und kamen auf der gegenüberliegenden Seite des Kraters an, wo sich ein Hochplateau befand. Dort sollten wir aussteigen. Wir standen nun mit Hansi am vordersten Rand dieses Plateau und er winkte der jubelnden Masse zu.
Er sagte zu uns: „Wie bin ich stolz auf die hier! Und ihr seid die ersten Lebenden, die meine Sonderzucht sehen dürfen.“ Die Massen befanden sich etwa zwei Meter unter dem Plateau, auf den wir standen, und nun konnte ich sie deutlicher erkennen als zuvor vom Transporter aus. Einer von ihnen präsentierte seine Schultermuskeln, die so groß waren, dass sein Kopf förmlich unter diesen Muskelmassen verschwand. Ein anderer trat vor und riss seinen Körper auf, dabei entstand ein Loch, durch das man hätte greifen können. „Schau Hansi, was sagst du dazu!“, schrie die Kreatur. Hansi war begeistert. Da nahm der mit dem Loch im Bauch seinen Nachbarn, steckte dessen Kopf in das Loch und lachte. Das Opfer freute sich nicht darüber, riss sich los und schlug auf den anderen ein.
Etwas in mir wusste, ich sollte von hier verschwinden und ich wollte dies auch durchführen, doch mein Körper war schwach und meine Füße wollten mich nicht richtig tragen. So flehte ich meinen Nachbarn an, er solle mir über die erste Hürde helfen, doch dieser wollte nicht. Ich warnte ihn: „Wir müssen hier fort! Wenn diese Horde auf uns losgelassen wird, haben wir keine Chance!“
Doch er glaubte mir nicht. „Warum sollten die auf uns losgehen?“
Ich ließ jedoch nicht locker und nach einiger Zeit half er mir über die erste Anhöhe. All die anderen blieben und ich versuchte mit letzter Kraft meinen Kadaver die vor mir stehende Kraterwand hochzubringen. Ich hatte bereits einige Meter geschafft, da begannen die Kreaturen aus Hansis Sonderzucht miteinander zu streiten und zu kämpfen.
Sie waren wohl hungrig, denn sie murrten: „Hansi, du hast uns Essen versprochen!“ Da sagte Hansi: „Schaut her, hier ist euer Essen! Kommt und bedient euch.“ Nun waren die Massen nicht mehr zu halten und stürmten auf unsere kleine Gruppe zu. Auch meine Kameraden hatten nun vernommen, dass sie als Futter vorgesehen waren und versuchten, sich wie ich über die Kraterwand zu retten. Ich hatte bereits einige Meter Vorsprung und als ich zurückblickte, sah ich, wie Hansis Sonderzucht die ersten Opfer erwischten. Sie zerrten an Gedärmen, rissen Hände und Füße aus ihren Leibern und bissen in das rohe Fleisch. Panik überkam mich.
Ich musste weiter und über Gestein und Gebüsch schob ich meinen Körper weiter nach oben. Wenn ich zurückblickte, bot sich mir ein Bild des Grauens. Ich war schon ziemlich hoch oben, nur noch etwa fünf Meter vom Kraterrand entfernt, doch da nun verließen mich meine Kräfte. Ich war so müde, dass ich aufgab und meinen Körper auf das Gestein unter mir sinken ließ.
Doch da hörte ich, wie Hansi schrie: „Sie kommen nur bis zum Kraterrand, nicht weiter!“ Wenn ich es also bis zum Rand schaffte, konnten sie mich nicht mehr fressen? Ich versuchte noch einmal, meinen Körper in Bewegung zu setzen, doch ohne Erfolg. Mir blieb nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass mich eine der Kreaturen als Opfer auserwählen würde.
Auf einmal war der Nachbar neben mir, der mir über die erste Hürde geholfen hatte. Er hatte mich schon fast überholt, da stürzte sich eine der Kreaturen auf ihn und er verschwand aus meinem Blickfeld. Zuerst wagte ich es nicht, mich nach ihm umzusehen, doch die Neugierde war stärker. Ich wandte mich um und sah, wie zwei der Kreaturen gerade meinen Nachbarn zerrissen und vergnügt mit seinen Gedärmen spielten.
Etwa eine Stunde saßen sie unter mir und fraßen, wobei sie mich immer wieder mit ihren kleinen Augen ansahen, als ob sie mir sagen wollten, dass sie Mitleid mit mir hätten, denn mein Nachbar hatte sein Leid hinter sich, doch meines ginge weiter. Dann nahmen sie die Überreste ihres Mahls und machten sich auf den Weg ins Tal.
Ich lies meinen Kopf wieder sinken und verweilte in Gedanken. Wo war ich hier nur und wie kam ich hierher? Ich musste einen mächtigen Mann beleidigt haben, der mich nun bestrafte. Als ich so in Gedanken versunken war, hörte ich eine Stimme: „Ausgerechnet der Verbrannte hat überlebt…“
Nun wusste ich: Hansis Sonderzucht hatten schon viele gesehen, doch ich war der erste, der diese Besichtigung überlebt hatte.
Fortsetzung folgt…