Schnee mag ich sehr gerne, solange er sich malerisch über die Landschaft legt und mir etwas vorglitzert. Auf der Straße hingegen ist Schnee mein Erzfeind.
Ich hasse es, auf Schneefahrbahn mein Auto bewegen zu müssen. Da werde ich zum Schneeschleicher und die Tachonadel kommt über den Vierziger nicht hinaus.
Letztens war es wieder mal so weit: Es fetzt halbe Taschentücher vom Himmel, der Kühlschrank ist leer und das Kind meldet Hunger. Die paar Meter zum Supermarkt schaff ich, nehm ich mir vor. Schon beim Rausfahren aus der Einfahrt merk ich, wie das Auto schwanzelt. Horror! Mit einer Mischung aus Genervtheit und Adrenalin im Blut schleich ich dahin, bis hinter mir ein anderes Auto auftaucht.
Das Genervtheit-Adrenalin-Verhältnis in meiner Blutbahn verschiebt sich deutlich zu Gunsten der Genervtheit, als der Fahrer hinter mir schon fast in meinem Kofferraum sitzt. „Schon klar,“ denk ich mir, „hast es wohl eilig.“ Ok, ich geb es zu, das denke ich mir nicht. Was ich mir wirklich denke, beinhaltet weit mehr Schimpfwörter.
Der Gatsch fliegt nur so, als der Wagen mit einem verwegenen Schlenker an mir vorbeizieht, sich vor mir wieder einreiht, zum Abschied noch einmal leicht die Spur verliert und schlenkernd seiner Wege fährt. Den freundlichen Wink mit dem Mittelfinger, den mir der Fahrer vor mir noch zukommen lässt, kann ich grad noch erkennen. Danke, gleichfalls.
Die Witze über Fahrkünste wie meine kenne ich, dankesehr. Die Beschwerden über mich und meine Schneeschleicher-Kollegen und -Kolleginnen kenn ich auch. Und sie sind mir komplett egal. Ich hab es bis jetzt noch immer an mein Ziel geschafft. Vielleicht ein paar Minuten später als sonst, aber heil und ganz. Im Gegensatz zu denen, die mich wegen meiner Schleicherei gerne auslachen. Davon gibts auch im näheren Umfeld so einige – und die kennen alle das großartige Gefühl, von der Feuerwehr aus dem Graben gezogen zu werden. Weil es sich halt nicht immer ausgeht.
Wenn du also beim nächsten Schneefall hinter mir her schleichst – WOS1 ist das Kennzeichen – dann kannst du den Mittelfinger gerne stecken lassen. Ich werd nämlich das Gaspedal keinen Millimeter weiter durchdrücken, nur weil du hinter mir Stress hast. Leb damit und geh mir nicht auf den Keks. Einen Mittelfinger hab ich nämlich auch.
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