Sigrid Wiener ist Assistentin der Geschäftsführung in einem Gleisdorfer Autohaus. Normalerweise, sagt sie, hat sie nicht das geringste Problem, sich in der männerdominierten Branche des Autohandels durchzusetzen. Doch dann kam er…
Es war einmal eine Prinzessin, die saß in ihrem Turm. Blödsinn. Diese Geschichte ist kein Märchen, sondern tatsächlich so passiert. Sie handelt nicht von einer Prinzessin, und schon gar nicht von einem Prinzen.
Lassen wir Sigrid selbst erzählen
“Ein Herr, 70 plus, kam in unseren Schauraum. Die Damen an der Annahme hat er nicht einmal eines Blickes gewürdigt. Stattdessen ist er schnurstracks hineinmarschiert zum Serviceleiter. Dass der gerade telefoniert hat, hat den Herrn nicht gestört, er hat gleich begonnen, auf ihn einzureden. Der Serviceleiter verwies ihn an den Verkaufsbereich. Auch der Verkaufsleiter hat gerade telefoniert, also bin ich raus, um den Kunden in Empfang zu nehmen.
Er hat mich gar nicht angeschaut, sondern hat mich mit einer Handbewegung zur Seite geschoben mit den Worten „I brauch kane vom Büro, i brauch an Mann“. Er ist dann zum Verkäufer gegangen und hat sich schnell-schnell ein Auto zusammenkonfigurieren lassen. Mit dem Zettel ist er gegangen und wurde nie wieder gesehen.”
Dass er eben die Chefin zur Seite gewedelt hat, ist dem Herrn nicht aufgefallen. Für ihn war wohl klar: Autohaus + Dame = nicht zu brauchen. Kompetenz suchte dieser Herr bei Seinesgleichen.
Eines hat Sigrid daran besonders geärgert: “Er hat mich als inkompetente Bürodame wahrgenommen. Was auch immer das heißt. Was heißt „Ich brauch keine vom Büro“? Die Leute, die in Büros arbeiten, Lohnverrechnung oder Controlling oder Buchhaltung machen, werden über einen Kamm geschoren als inkompetente Tippserln. So eine, die grad ein A4-Blatt kopieren kann, doppelseitig wird schon schwierig. Es ärgert mich, dass diese Arbeit und was diese Leute leisten, so herabgesetzt wird.”
Glücklicherweise gehören Kunden mit derartigem Benehmen zu den Ausnahmen. Das bestätigt auch Sigrid: „Seit ich hier bin, ist das der erste Mann, der mir so begegnet ist. Männer in diesem Alter haben sonst eher das Väterliche oder Großväterliche mir gegenüber, sehr wohlwollend. Dieses nicht einmal mit mir reden wollen war eigenartig. Normalerweise hört man mir gerne zu.“
Ein Gorilla im Verkaufsraum
Mit Männern, die sehr von sich selbst überzeugt sind, kann Sigrid umgehen. Auch das lernt man im Autohaus: Mit den “Gorillas” auskommen.
“Angefangen hat es mit meiner ersten Verkaufsschulung. Da habe ich die Gorillas kennengelernt,” erzählt Sigrid. “Das war wie eine Watschn ins Gesicht. Dieses Auftreten war neu für mich – dieses gönnerhafte „Püppchen, was erzählst du mir?“ Ich hab geglaubt, ich bin im falschen Film.”
Nicht ernstgenommen, das Püppi. Mit der Zeit hat sich das gelegt: “Du verschaffst dir deinen Respekt, bekommst ein Gespür für die Menschen und lernst, wie du mit ihnen reden musst. Am besten funktioniert, ihnen gleich zu begegnen wie sie dir. Du wirst selber zum Gorilla, und es macht Spaß. Gorilla sein ist lustig, weil dann die Kommunikation funktioniert – wenn der Schmäh rennt und die Schenkelklopferwitze anfangen. Man muss die Leute abholen können, wo sie stehen.”
Bei dem eingangs erwähnten Herren hätte die Gorilla-Taktik hingegen nicht funktioniert, meint Sigrid: “Ich hätte ihm nachlaufen müssen! Selbst dann hätte ich keine Kommunikation aufbauen können. Wäre er ein ernsthafter Kunde gewesen, wäre ich schon wieder ins Spiel gekommen. So hat sich das aber gar nicht gelohnt. Vergebliche Liebesmüh.”
Um angemessen zu reagieren auf einen solchen Kunden, der “keine vom Büro” braucht, sondern einen Mann, hat Sigrid Wiener zu viel Stil. Angemessen wäre in diesem Fall eventuell das: