Herbert Hierzer aus Entschendorf hatte vor vier Jahren einen schweren Unfall: Beim Schnapsbrennen explodierte der Brennkessel. Herbert war in den Flammen gefangen, hat das Feuer eingeatmet. „Eigentlich hätte ich wohl sterben sollen, aber irgend etwas wollte, dass ich noch einmal zurückkehre“, sagt er heute darüber.
Sechs Wochen lang lag Herbert mit schweren Verbrennungen am ganzen Körper im Koma. Sechs Wochen, in denen er nicht wahr nahm, was um ihn herum und mit ihm geschah. Und Herbert träumte. Anders als die meisten Komapatienten kann er sich an seine Komaträume erinnern. „Ich bin 1000 Tode gestorben in dieser Zeit und hatte das Gefühl, Jahrzehnte in dieser Zwischenwelt gewesen zu sein,“ berichtet Herbert.
Seine Erfahrungen in der „anderen Welt“ verarbeitete Herbert, indem er sie niederschrieb. Daraus entstand das Buch „Tiefschlaf“. Am 15. Dezember um 19 Uhr liest Herbert im Gleisdorfer Lokal Musikistn daraus vor.
WIR OSTSTEIRER dürfen euch schon vorab einen Auszug aus dem Buch präsentieren. Achtung, Gänsehautgefahr!
Herbert Hierzer: Tiefschlaf
Als ich nach meinem Unfall die erlösende Spritze bekam und diese mich von den Schmerzen, die mich bereits eingeholt hatten, erlöste, tauchte ich in einer fernen Welt auf.
Sie war wüstenähnlich und kahl, hin und wieder gab es einzelne Kakteen, die recht groß gewachsen waren. Auch die Sonne, die hier schien, war anders als die, die auf unserem Planeten scheint. Sie war riesig! Es sah aus, als wäre der Planet, auf dem ich mich zurzeit befand, nur ein kleiner Mond eines weiteren Planeten.
Die Sonne hier war aber nicht so hell und blendete nicht wie unsere Sonne. Sie war mit weißem Dampf ummantelt und spuckte eine rote Masse von sich.
Ich wusste, dass dies nicht meine Welt war und in mir stieg ein unheimliches Gefühl hoch, das mir sagte, dass ich von hier nicht mehr weg kommen würde.
Ich wusste zwar, dass ich einen Unfall gehabt hatte, aber wie schwer ich verletzt war, war mir nicht klar.
Nun stand ich da und wusste nicht, was ich unternehmen sollte. Nach einiger Zeit entschied ich, Richtung Sonne zu gehen.
Nach einigen Tagen kam ich in eine Stadt, auch diese war anders als unsere Städte. Hier war die Stadt überdacht, und zwar mit einer Glaspyramide. Ich ging auf die Stadt zu und betrat sie mit Neugier und in der Hoffnung, endlich meinen Durst stillen zu können.
Die Straßen waren enorm breit. Eine Straße mit zehn Spuren führte in die Pyramide und gabelte sich darin. Zwischen der geteilten Straße befanden sich nun Gebäue aus Glas, deren Länge unendlich schien. Straßen führten überall hin, sogar in die obersten Etagen der Hochhäuser. Autos fuhren selten, und sie waren anders als unsere. Sie waren leise und viel größer.
Die Gebäude waren einige Stockwerke hoch und breit. Man sah von der einen Straßenseite bis zur anderen und dazwischen gab es eine Art von Verkaufsräumen. Artikel, wie es sie in unseren Geschäften gibt, gab es dort nicht und das, was dort ausgestellt war und gekauft wurde, hatte ich noch nie gesehen. Die Verkaufsanlagen waren ausgestattet mit Materialien, die eine enorme Wärme ausstrahlten.
Eine Menge Menschen gab es hier, sie sahen aus wie die auf der Erde und ich spazierte zwischen ihnen. Ich konnte sie sehen und sie sogar fühlen, wenn ich ihnen zu nahe kam, doch sie nahmen mich nicht wahr. Es war, als sei ich nicht hier.
Riesige Bildschirme gab es hier überall, sie hatten einen Durchmesser von gut zehn Metern. Eine Menge Menschen versammelten sich vor ihnen. Im ersten dieser Bildschirme sprach mit strenger Stimme ein Mann, der über einen anderen schimpfte. Sein ganzer Körper bebte, wenn er von den Schandtaten dieses anderen Mannes erzählte.
Ich ging ein Stück weiter und kam zu einem weiteren Bildschirm. Auch hier sprach ein Mann, der sehr gut aussah und den ich mit Hansi Hinterseher verglich. Dieser Mann sprach ruhig, sprach zu Menschen über Menschen, und dass er diese alle gebrauchen könne für seine Arbeit.
Leise begann Trommelmusik und ummantelte seine sanfte Stimme. Ich sah ihm noch einige Zeit zu bei seiner Ansprache. Auf einmal sah er mich an und ich spürte, dass er der Einzige war, der mich von all den Anwesenden sehen konnte.
Wir sahen uns in die Augen und er sprach weiter. Er sagte: „Deine Leber ist sehr stark, so stark wie von einem Jungen Menschen. Du hast gerne Rotwein getrunken und viel Tee.“
„Ja, meinen Rotwein vom Olariziberg,“ antwortete ich.
„Du hast eine kräftige Lunge. Du hast geraucht, dennoch ist sie enorm stark.“
„Ja, aber ich rauche nur hin und wieder eine Zigarillo.“
„Ganz wichtig ist dein Herz, es ist stark wie von einem Hirschen und hat den Willen, lange zu leben.“
„Ja, ich möchte schon noch leben!“
„Deine Teile werden weiterleben. Aber du…“
Nun wusste ich, dass es sich tatsächlich um meine Innereien handelte, über die er schon einige Zeit mit diesen Menschen sprach. Ich bekam Angst. Ich musste von hier fort – nur wie?
Im selben Moment konnte ich mich nicht mehr bewegen und nach einiger Zeit begann es an meinen Fußsolen zu kribbeln und stechen. Ich wollte meinen Körper aus der Gefahrenzone bringen, doch ohne Erfolg. Ich konnte mich nicht bewegen. Die Stiche wurden heftiger und es fühlte sich an, als würde ich auf Seeigeln stehen.
Meinen Körper konnte ich nicht bewegen, doch konnte ich meine Augen noch bewegen. Mit diesen suchte ich nach der Ursache des Stechens und ich fand sie auch: Um mich herum wuchsen Kakteen und diese hatten bereits meine Vorfüße umschlungen und steckten einen Stachel nach dem anderen in meine Füße.
Die Schmerzen waren enorm und ich musste mit ansehen, wie mein Körper langsam vereinnahmt wurde. Jeder Stachel war zwei Zentimeter lang und einer um den anderen drang in mein Fleisch ein. Ich hätte geschrieen vor Schmerzen, wenn ich gekonnt hätte. Ich wuchs in diesen Kaktus und er begann, meinen Lebenswillen auszusaugen.
Nach einiger Zeit war ich bis zum Kopf in Kakteen eingewachsen und vom Bildschirm sprach immer noch dieser Mann zu mir über meine Innereien, die so wertvoll seien.
Nun waren nur noch meine Augen frei und diese erblickten unter der Masse der Anwesenden meine Tochter und meine Frau. Ich wollte sie rufen, doch es ging nicht mehr. Ich starrte sie an und auf einmal sah meine Tochter zu mir und winkte.
„Bitte Hilf mir!“, schrie ich innerlich. Scheinbar hatte sie mich vernommen. Sie zog meine Frau an der Hand, sagte etwas zu ihr und die beiden kamen zu mir gelaufen.
„Was machst du im Kaktus?“, fragte mich meine Tochter. Ich konnte ihr keine Antwort geben, denn nun war ich zugewachsen.
Die beiden hielten eines der großen Fahrzeuge an und einige Männer stiegen aus. Kathi flehte, sie sollten helfen: „Papa ist in den Kaktus gewachsen!“
„Da kam „Hansi“ auf mich zu, der gerade aus dem Fernseher zu mir gespochen hatte und sagte: „Natürlich helfen wir.“ Er ging zum Auto und holte ein großes Schwert. Damit begann er den Kaktus zu zerhacken. Ich fühlte, wie die Klinge an meiner Haut hinunter glitt und das Gewächs von mir entfernte.
Mit wenigen Schlägen hatte er mich aus dem Lebenskraft saugenden Kaktus befreit. Als er fertig war, sagte er: „Herbert nehme ich gleich mit in mein Krankenhaus, er braucht unbedingt ärztliche Betreuung.“
Meine Frau und meine Tochter waren froh darüber und verließen mich mit den Worten: „Wir sehen uns später!“ Ich jedoch hatte kein gutes Gefühl, denn ich wusste, dass „Hansi“ meine Innereien wollte…
WIR OSTSTEIRER danken Herbert Hierzer für die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Textes.