Neulich in Gleisdorf. Ich habe einiges zu erledigen. Mit den Gedanken schon beim nächsten Einkauf, marschiere ich flotten Schritts an der Bank vorbei. Plötzlich ein Pfiff. Irritiert drehe ich mich um, große Fragezeichen in den Augen.
Drei Meter hinter mir steht ein älterer Herr und schaut mir nach. Sonst sind weit und breit keine Passanten in der Nähe. Er starrt mich an. Ich starre ihn an. Um die Sechzig wird er sein. Das Hemd spannt sich über einen ehrlich erwirtschafteten Wohlstandsbauch, der Haaransatz ist hingegen bereits vor längerer Zeit Richtung Norden ausgewandert. Direkt unsympatisch schaut er nicht aus. Nur ein bisschen verwirrt – vielleicht, weil ich tatsächlich stehen geblieben bin.
Ich schaue ihm in die Augen und schüttle langsam den Kopf. „Schämst du dich nicht?“, frage ich ihn leise, weil es das einzige ist, was mir gerade einfällt.
Betreten senkt er den nun hochroten Kopf, auf der Suche nach einer Ausrede, und sein Blick fällt auf ein paar Geldscheine, die er in der Hand hält. „Ich hab das da gemeint,“ stammelt er. Ja sicher. Ich pfeife auch jedes mal anerkennend, wenn der Bankomat doch noch ein paar Scheinchen ausspuckt…
Ich werfe ihm noch einen vernichtenden Blick zu und lasse ihn stehen. Warum glauben Männer eigentlich, das Recht zu haben, Frauen hinterherzupfeifen?
Wer hat euch Männern das eingeredet?
Ich nehme einfach mal an, dass Hinterherpfeifen der primitive Versuch ist, Begeisterung zu artikulieren. Ein Kommunikations-Urinstinkt aus prähistorischen Zeiten, sozusagen die Mutter aller Komplimente. Eh ganz freundlich gemeint.
Deshalb wird wohl auch vorausgesetzt, dass „frau“ sich darüber nicht aufpudeln sollte. Ist ja harmlos, und wer sowas nicht mag, muss eine furchtbare männerhassende Kampfemanze sein, der man sowieso nichts recht machen kann.
Darüber denke ich nach, während ich meine Einkäufe erledige. Mich hat die Pfeiferei in diesem Moment geärgert. So sehr, dass einfach weitergehen und ignorieren diesmal keine Option war. So sehr, dass ich seither darüber nachdenke, was ich dem Pfeif-Opa und seinen Kollegen aller Altersstufen noch gerne sagen würde. So sehr, dass ich das hiermit tun werde.
Lieber Frauen nachpfeifender Mann, wo auch immer du mir begegnest:
Deine Begeisterung interessiert mich nicht.
Dir gefällt, was du siehst? Ok, schön für dich. Ich hab kein Problem damit. Glotz auf meinen Hintern, meine Titten, meine Beine. Freu dich dran, von mir aus. Aber geh mir damit nicht auf den Keks. Solange ich dich nicht um deine Meinung dazu frage, brauchst du mir auch kein Feedback zu geben. Denn weißt du was? Ich bin nicht mit dem Bestreben aus dem Haus gegangen, dir zu gefallen.
Du hast es doch nur nett gemeint? Dann hast du es versemmelt.
Wenn ich dir ein Zuckerl schenken will, ist das auch nett gemeint. Wenn du keines magst und ich es dir trotzdem in den Mund stopfe, ist das übergriffig. Haben wir uns verstanden?
Du störst.
Ich denke gerade über weltbewegende Dinge nach: Was ich zu Mittag kochen soll, wo ich eigentlich mein Auto geparkt habe, ob ich noch Klopapier zuhause hab. All diese Gedanken sind mir weit wichtiger als dein Urteil über meine Erscheinung. Ich hätte dich glatt übersehen.
Mit deinem Pfiff ringst du mir Aufmerksamkeit ab, die ich dir jetzt gerade gar nicht geben will, und reißt mich aus meinen Gedanken. Wenn ich nachher vergesse, Klopapier einzukaufen – mein lieber Mann, dann bist du schuld. Nicht so wichtig, sagst du? Kann sein. Aber vielleicht bin ich ja auch kurz davor, Krebs zu heilen, den Weltfrieden zu stiften oder die Existenz von UFOs zu beweisen. Du wirst es nie erfahren.
Ich hab keine Lust, dich zu ignorieren
Ich werde jetzt nicht so tun, als hätte ich dich nicht gehört oder als würde es mich nicht betreffen. Du provozierst eine Reaktion, also wundere dich nicht, wenn du eine bekommst. Nein, ich strecke nicht den Mittelfinger aus. Ich werde dich auch nicht beschimpfen. So leicht kommst du mir nicht davon. Was ich mache, ist viel schlimmer: Ich sehe dich. Und das wird dir unangenehm sein.
Kampfemanze? Geschenkt.
Ich hab dich beschämt, und das geht nicht. Dafür muss es doch einen Grund geben, und der ist selbstverständlich nicht bei dir zu suchen. Ich muss also eine ganz schöne Zicke sein. Wahlweise auch eine blöde Kuh oder eine Schlampe (oder eine Bitch, wenn du gerade erst 16 bist) – wobei diesem Gedankengang jede Logik fehlt. Eine frustrierte Kampfemanze eben, die sowieso alle Männer hasst und die es einfach nur mal wieder richtig brauchen würde, damit sie zurück in die Spur kommt. Für den Job wärst du natürlich der Richtige. Blöd ist nur: Selbst wenn es so wäre, würdest DU den Job nie bekommen.
Du bist ganz schön peinlich.
Entweder nimmst du dich etwas zu wichtig und glaubst, ein Hengst wie du ist Gottes Geschenk an die Weiblichkeit und jede Frau kann nur froh sein, wenn du ihr nachpfeifst und sollte dir im selben Augeblick bereits zu Füßen liegen. Dann hab ich eine schlechte Nachricht für dich: Nö.
Oder du bist ein armes Würstchen mit Aufmerksamkeitsdefizit und deine verbalen Fähigkeiten reichen tatsächlich nicht über rudimentäre Ausdrucksformen hinaus. Dann ist hier für dich eine runde Mitleid und ein guter Rat: Arbeite dran. (Fühlt sich super an, wenn man eine fremde Meinung so unverblümt aufgedrückt bekommt, gelle? Dachte ich mir.)
Also, lieber Frauen nachpfeifender Mann, ich hoffe, wir verstehen uns. Ich bin dir ja nicht böse – vielleicht hat dir bisher nur noch niemand gesagt, was Sache ist. Deshalb hab ich noch einen ganz ernst gemeinten Tipp für dich und ich würde mich sehr freuen, wenn du den bei unserer nächsten Begegnung umsetzt:
Vergiss das Hinterherpfeifen.
Probier’s lieber mit einem freundlichen Lächeln. Schau mir dabei in die Augen – oder zumindest ins Gesicht. Vielleicht kriegst du dann sogar ein Lächeln zurück. Auf jeden Fall ersparst du dir eine Peinlichkeit und mir eine Menge Schreiberei.