Der Tod ist ein uraltes Thema, dem in Kunst, Literatur und Musik schon immer viel Platz eingeräumt wurde. Auch in der Volkskultur hatten Mysterienspiele wie der Totentanz einen fixen Platz. Vieles davon ist verloren gegangen, doch einiges daraus ist uns noch immer ein Begriff: Der Tod als Sensenmann zum Beispiel. Dieses Bild stammt noch aus vorchristlicher Zeit – und ist in vielen Hollywoodfilmen, Büchern oder Computerspielen heute noch präsent.
Liedforscher Sepp Spanner hat sich der Aufgabe verschrieben, die Spuren des Todes in der Volkskultur und im weltlichen Liedgut ausfindig zu machen. Er ist ein Archäologe der Musikgeschichte und gräbt Schätze aus, die andere längst verloren gaben.
Einige dieser Schätze kommen am 23. April in der Basilika Pöllau zur Aufführung. Unter dem Titel „Auf, oh Mensch“ taucht Sepp Spanner mit hochkarätigen Solisten und dem Steirischen Kammerensemble tief in die alte Tradition der Mysterienspiele ein.
Was dem Publikum hier zu Ohren gebracht wird, ist mehr als „schöne Musik“, es ist eine Reise zurück zu den Spieltruppen des Mittelalters, zu den Wurzeln heutiger Opern, letztendlich zu den Grundfesten des Liedes an sich.
Der Tod spielt die Hauptrolle
„Im Mittelalter gehörten die Auftritte der Spieltruppen zur vorösterlichen Zeit wie auch zur Vorweihnachtszeit. Darsteller aus dem Volk zeigten Szenen der Bibel, angefangen von der Vertreibung aus dem Paradies („Paradeisspiel“) bis hin zur Passion, dem Leiden-Christi-Spiel,“ erklärt Sepp Spanner.
Die Wurzeln dieser Spieltradition liegen aber noch viel weiter zurück und finden sich bei den Mysterienspielen aus vorchristlicher Zeit, in denen Menschen eine Erklärung suchten für all das, was sie nicht verstehen konnten. Dass der Tod dabei einer der Hauptdarsteller war, verwundert nicht.
Mit der Entwicklung der Mehrstimmigkeit wurde die musikalische Ausgestaltung der Spiele immer intensiver. Aus Spieltraditionen wie dem Totentanz entstanden kirchliche Oratorien und weltliche Opern. Eines der bekanntesten Mysterienspiele aus heutiger Zeit ist der „Jedermann“, zu dem die High Society jährlich nach Salzburg pilgert: Ein direkter Nachfahre des vorchristlichen Mysterienspiels.
Der Tod klopft an die Tür
Die Stücke, die es bei „Auf, o Mensch“ zur sehen und hören gibt, hat der Musikarchäologe in mühevoller Kleinarbeit ausgegraben. Auf fliegenden Blättern, die zur Ergänzung mittelalterlicher Liederbücher gedruckt wurden, wurde er fündig.
Den Auftakt der Veranstaltung bildet die Uraufführung einer „Intrada“ von Franz Zebinger nach dem Lied „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“ aus 1638. Mit Bratsche, Trommel und Orgel verschafft sich dabei der Tod seinen ersten großen Auftritt. „Die Landsknechtstrommel versinnbildlichte Ursprünglich den Tod, der an die Tür klopft,“ erklärt Spanner. Auch Bratsche und Orgel sind Instrumente, die den Tod in der Musikwelt stets begleitet haben.
Mit Franz Koringers 1993 uraufgeführten Werk „Der Kreuzweg“ taucht das Publikum dann tief ein in die österliche Liturgie. „Früher erklärte der Geistliche beim Kreuzweg jede Station und ihre Hintergründe,“ erzählt Sepp Spanner. Er sieht in diesem Brauch die Tradition des Schreittanzes begründet – der Ursprung jeder Prozession, bei der man sich rhytmisch zu Musik, Trommeln oder Gebet bewegt.
Auf einmal glänzt alles
Den Schlusspunkt des Abends bildet der Totentanz. Die Musik dazu stammt von Sepp Spanner, den Text dazu fand er auf einem verschollen geglaubten mittelalterlichen Flugblatt. Sechs Jahre lag suchte Spanner danach, bis Kommissar Zufall ihn auf die richtige Spur führte.
„Der Tod holt jeden, vom Papst und Kaiser bis zum Kind. All das spiegelt sich im Totentanz,“ meint Sepp Spanner. Die Ausweglosigkeit und Bedrückung des Werkes löst er am Ende musikalisch eindrucksvoll auf.
Am Ende ist also alles gut, selbst der Tod. Das ist Ostern. Das ist Leben. Das ist Hoffnung. Das passt, so Sepp Spanner, so gut in unsere Zeit, denn: „Der Totentanz und die Mysterienspiele lebten immer wieder auf in Zeiten, die von Angst geprägt waren.“
„Auf, o Mensch“
Konzertante Aufführung in der Tradition der Mysterienspiele
23. April, 19.30 Uhr, Basilika Pöllau
Infos: 03335/2439
Martina Hetzenauer, Angelika Meiszl – Sopran
Klaudia Tandl – Mezzosopran
Johannes Chum (Oper Graz) – Tenor
Wilfried Zelinka (Oper Graz) – Bass
Steirisches Kammerensemble
Musikalische Leitung: Sepp Spanner